Hallo Reinhard,
ich bin mir nicht so sicher, dass die Fahrzeuge tatsächlich im Preis nachlassen. Wir hatten die Diskussion ja schon an vielen Stellen im Forum - es gibt immer wieder Preisdellen (aktuell auf Grund der generellen Konsum-Verunsicherung) - gleichzeitig entwickelt sich auch das Bewusstsein für die angestrebten Objekte: sprich, kaum noch Jemand kauft ein mehr als 30 Jahre altes Auto, ohne sich über Wiederverkauf, Ausstattungspräferenzen oder Risiken zu informieren.
Und es ist wie in allen Bereichen - die Informationen bestätigen sich immer wieder selbst. Coupés sind wertvoller als Limousinen, V8 wertvoller als R6 (incl. der weiteren Abstufungen innerhalb der Motorreihen), weniger Kilometer besser als mehr, "mit Klimaanlage" ist sowieso zwingend notwendig, Schalter schlechter als Automatik (im R6) usw. Selbst dunkle gedeckte Farben treffen immer noch auf eine größere Anzahl an Interessenten als die originellen und seltenen 80er Jahre Farben. Als letztens jemand auf Facebook seinen Traumwagen 500 SEC vorstelle, schrieb wieder einer darunter "ein 560 SEC ist besser". Das dieser das heute kaum noch in der Spitze "erfahren" wird (und die Fahrzeuge wahrscheinlich gar nicht kennt), spielt keine Rolle - so etwas wird rausgehauen und beeinflusst schlicht den Markt. Da kann man so viel argumentieren wie man will.
Als ich mir als junger Mann in den frühen 90er Jahren meine erste S-Klasse, einen 260SE mit Schalter als jungen Gebrauchten mit 76tsd Kilometern, kaufte, war ich schlichtweg begeistert. Der Wagen hatte Kurbel-Fenster (EZ 1988 kurz vor der Mopf), Schalter, aber eine Klimaanlage. Ich bin den Wagen 3 Jahre und 150tsd Kilometer gefahren, ohne Probleme, und war jeden Tag begeistert. Ich war gefühlt schnell (immerhin 200) und habe es genossen, in den 90er Jahren bei Sommerhitze aus der gekühlten Perspektive die herunter gekurbelten Fenster der anderen Verkehrsteilnehmer zu betrachten. Klar gab es damals auch die dicken V8, die viel schneller waren, aber wie oft begegnete man denen in der täglichen Autofahr-Realität? Ich kann mich noch gut erinnern, wie konsterniert mein damaliger Chef war, als ich ihn mit dem Wagen mal mitnahm. Er fuhr damals einen neuen französischen Mittelklasse-Wagen und konnte es nicht fassen, wie gut mein 260SE war (und dazu noch deutlich günstiger in der Anschaffung).
Aus dieser Perspektive sieht aber kaum noch Jemand heute diese Fahrzeuge. Ein schicker Oldtimer darf es sein, aber bitte möglichst schnell und bequem. Nicht ohne Grund steigen die Fahrzeuge ab den 90er Jahre aktuell mehr im Wert als die älteren Fahrzeuge, da sie die Basics Airbag, ESP, kompatible mediale Ausstattung (Verbindung mit dem Smartphone) usw. mitbringen und auch der PS-Sprung vom 560SE (279 PS) zu den AMG der frühen 2000er (500+) enorm ist.
Und da die Wenigsten den tatsächlichen Zustand eines Fahrzeug beurteilen können, lässt sich mit den "marktrelevanten Aspekten" eben besser Geschäfte machen. Und genau hier setzt auch die Preisentwicklung in verschiedene Richtungen an - Fahrzeuge, die nicht über diese "Basics" verfügen brauchen den besonderen Blick des Kenners, der Originalität, Zustand und sonstige Besonderheiten (Farbe usw.) zu schätzen weiß. Und Kenner sind naturgegeben in der Unterzahl und werden eher weniger, weshalb die Preise besonders für Fahrzeuge vor 1980 zunehmend fallen.
Aus meiner Sicht reagiert der Markt heterogen und das wird sich noch verstärken,
Gruß Udo
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 28.06.25 13:12.