Hallo Zusammen,
ich war vom 111er Coupé in den 90er Jahren unglaublich begeistert (neben meinem W126), habe mir 1998 einen 3,5er gekauft und bin ihn gut 3 Jahre viel gefahren, durch halb Europa bis Portugal. Er fiel damals schon auf, war aber nur ein normaler 27Jahre alter Youngtimer (ein Begriff, den es damals noch nicht gab). Einziger Defekt: die Servo-Lenkung wurde in den Alpen undicht, konnte aber für umgerechnet 20 DM in einer kleinen Werkstatt in Frankreich innerhalb weniger Stunden in Ordnung gebracht werden.
Dass es damals ein 3,5er wurde, war der Tatsache geschuldet, dass ich aus optischen Gründen einen Flachkühler haben wollte - ich hätte auch einen der späten 280er mit 6 Zylinder Motor genommen. Auch dass ich einen voll ausgestatteten Wagen mit Behr-Klima gekauft habe, war reiner Zufall - ich war damals noch sehr unerfahren. Das Angebot in der vor Mobile-Zeit war schlicht äußerst überschaubar und der Preis mit 30tsd DM angesichts der Nachlackierung zu hoch, aber im Gegensatz zu dem Angebot aus Dorsten hatte er keinen Radlauf-Chrom. Für mich ein grundsätzliches Ausschluss-Kriterium.
Mir selbst haben die Jahre mit dem Wagen genügt. Ich finde ihn immer noch schön, aber ohne ihn wieder haben zu wollen. Die extreme Wertentwicklung in den vergangenen Jahren um das fast 5-10fache (verkauft habe ich ihn 2001 für ca. 36tsd DM) hat mich einerseits überrascht, andererseits ist sie Ausdruck heutiger Ansprüche an Old- und Youngtimer - und da widerspreche ich auch Reinhard - die sich auch auf unsere 126er auswirken. Gemessen an damals ist das heutige 3,5er Angebot riesig - wirklich selten sind die Coupés nicht. Ich bin inzwischen aus der Beobachtung raus, aber als ich vor 3 Jahren ein C140 Coupé suchte, empfand ich das Angebot subjektiv als geringer (und ich habe mir bei den 111ern die 220, 250 und 280er Angebote gar nicht angesehen). Ganz bei Reinhard bin ich, dass die meisten Käufer das Coupé nicht zum Fahren, sondern als Investment kaufen.
Viele Anzeigen deuten beim Verkauf auch auf die angebliche Wertsteigerung ihrer Objekte hin, um damit schon den überhöhten Preis zu begründen. Ich kann mir nur keinen mit etwas Gehirn gesegneten Menschen vorstellen, der nach einem Invest sucht und deshalb schon den möglichen späteren Preis bezahlt. Ich kann mir vorstellen, dass der Anbieter aus Dorsten seinen Preis sogar für günstig hält - verglichen mit den anderen Angeboten durchaus zurecht. Und nebenbei - die Klimaanlage im 111er hat mit der eines 126ers nichts gemein. Sie bläst die kalte Luft nur zentral-mittig raus und kühlt etwas die rechte Seite des Fahrers. Sie ist aus meiner Sicht bei einem solchen Fahrzeug überbewertet, aber das gilt im Grund für viele Preis-relevante Features wie eben Kilometerleistung, Ausstattung usw. Im privaten Gespräch hat mir diese Haltung fast Jeder bestätigt, aber die Marktgesetze lassen sich nicht aushebeln. Wer ein Fahrzeug mit 50tsd Kilometer auf dem Tacho verkauft, muss nichts hinzufügen, während es zu einem Auto mit 200tsd Kilometern eine dicke Mappe mit Wartungshistorie, Gutachten und Restaurierungsunterlagen gibt. Ganz nett, aber preislich nicht ebenbürtig, selbst wenn es das objektiv bessere Fahrzeug sein sollte. Der Anteil an Käufern, die den Wiederverkauf im Hinterkopf haben, wird immer größer. Das bildet das Angebot ab. Und deshalb werden die 111er Coupés auch weiter auf einem zu hohen Niveau bleiben, obwohl ich mich frage, wie gerade die "Edel"-Händler mit ihren Standuhren auf ihre Kosten kommen.
Und damit komme ich zum 126er, bei dem die selben Marktgesetze gelten, wenn auch auf pekuniär niedrigerem Niveau. Nicht ohne Grund sind inzwischen mehr Coupés angemeldet als 1.Serien-Limousinen, die - anders als die Herstellungszahlen vermitteln - inzwischen objektiv seltener, aber trotzdem preiswerter sind. Hier im Forum gibt es viel Lob für Buchhalter-Ausstattungen, seltene, etwas skurrile Farben oder kleine Motorisierungen. Der Charme eines 280er Vergasers in super Zustand wird trotzdem Niemanden dazu verleiten, dafür einen hohen Preis auszugeben. Jeder von uns weiß, dass der Verkauf eines ausgefallenen Stückes einen entsprechend selten vorzufindenden Liebhaber benötigt. Ein 126er ohne Klima ist heute kaum noch zu verkaufen. Ein schwarzer 560SEC ist dagegen nur eine Frage von Preis und Zustand.
In der heute herausgekommenen "Youngtimer"-Zeitschrift spricht Alf Cremers, der mir in seiner Auto-Affinität sehr sympathisch ist (persönlich kenne ich ihn nicht), bei einem 420SEL für 7900 Euro von einem Schnäppchen. Aus meiner Sicht gibt es keine Schnäppchen - schon gar nicht bei einem Händler, der bei einem Fahrzeug ohne Scheinwerferreinigungsanlage von "Vollausstattung" spricht - höchstens eine gute Gelegenheit auf Grund von besseren Kenntnissen über das zu kaufende Objekt. Etwa hinsichtlich eines Mangels, der beim Verkäufer als schwerwiegend benannt wird, sich aber mit wenig Aufwand beseitigen lässt. Der von Alf Cremers vorgestellte 420 SEL würde mehr kosten, wenn sich der Verkäufer Chancen darauf versprechen würde. Wir erfahren im Text nichts über Zustand-Details, aber ein Käufer des US-Wagens mit Meilen-Tacho und "dicken" Stoßstangen hätte Probleme, den "kleinen" 8Zylinder kurzfristig für mehr zu verkaufen. Nur dann wäre es ein Schnäppchen.
Die Frage ist nur, warum überhaupt ein "Schnäppchen" machen? - Für 7900 Euro ist das verdammt viel, geiles Auto mit frischem TÜV, was man da bekommt. Man muss keine Hemmungen haben, weitere 30tsd Kilometer auf die Uhr zu fahren und selbst wenn man noch einen Tausender in die Erhaltung investiert, ist das doch ein preiswertes Vergnügen bei dem emotionalen Gegenwert. Das sollte mehr betont werden, nicht immer das "Schnäppchen" oder das "Investment". Das sage ich auch zu mir selbst,
Gruß Udo