Hallo Sebastian,
im Kurbelgehäuse ist ohne eine standesgemäße Entlüftung immer etwas Überdruck, da Verbrennungsgase and den Kolbenringen vorbei gehen (das ist ja keine 100%ige Dichtung). Auch durch Ventilführungen oder die Wellendichtungen des Laders pfeift es immer etwas durch. Diese Verbrennungsgase (Abgas) sind giftig und daher hat der Gesetzgeber verfügt, dass im Kurbelgehäuse doch immer ein leichter Unterdruck herrschen möge. Es soll vermieden werden, dass im Motorraum Abgas austritt und ggf. durch die Fahrzeuglüftung in den Innenraum gelangt.
Um das zu erreichen ist (beim Turbodiesel) die einfachste Methode, die Einleitstelle für dieses Blowby-Gas vor den Verdichtereintritt zu legen. Hier herrscht immer ein leichter Unterdruck (verglichen zum Umgebungsdruck), weil der Lader ja Luft aus der Umgebung ansaugt.
Dieser Unterdruck kann bei Nennleistung sogar ziemlich erhebliche Werte annehmen, daher ist bei den Motoren dann ein Druckbegrenzungsventil (meist eine Kunststoffdose mit Feder und Gummimembran) verbaut, was dafür sorgt, dass der Entlüftungsquerschnitt bei hohem Unterdruck vor Verdichter so weit gedrosselt wird, dass im Motor kein zu großer Unterdruck entsteht. Würde der Unterdruck nämlich zu groß, kann Umgebungsluft z.B. durch die Wellendichtringe in den Motor gesaugt werden und vor allem steigt das BlowBy.
Viel BlowBy geht dann i.d.R. auch einher mit erhöhtem Ölverbrauch, da der Ölabscheider im in der Entlüftungsstrecke (meist auch im Ventildeckel verbaut) nicht mit beliebigen Abluftmengen klarkommt.
Jetzt ist aber die die Frage, was bei Deinem Motor das Problem auslöst - leider ist das nicht so einfach zu beantworten. Ein einfacher Test könnte sein, die BlowBy-Leitung im Motor zu trennen (also am Verdichtereintritt), das Loch am Lader natürlich zu verschließen und die Abluft für eine Testfahrt durch einen selbstgebastelten „Abscheider“ zu leiten. Das kann z.B. ein kleiner Eimer mit dichtem Deckel und 2 Anschlüssen sein, die Austrittsseite mit einem Luftfilter (z.B. K&N) versehen, damit gegebenenfalls noch austretender Ölnebel nicht alles versaut. Aber Achtung: nicht das ganze Abgas weggschnüffeln (s.o.) ….
Nun 100km wie im Urlaub fahren, aber alles vorher und nachher wiegen, die Dichte von Motoröl ist ca. 88 g/l. Wenn alles funktioniert und der Motor das gesamte Öl ausschließlich über die Entlüftung rausschmeißen würde, würdest Du nach 100km Fahrt ca. 0,14l oder ca. 120g in Deinem Eimer finden. Dann wäre die Schlussfolgerung, dass erhöhte Abluft z.B. durch verschlissene Kompressionsringe und/oder Abdichtungen am Lader ursächlich ist. Ist der Eimer weitgehend trocken, dann wird das Öl im Motor weggesaugt (Ölabstreifer, Schaftdichtungen/Führungen, verdichterseitiger Kolbenring am Lader, …).
So eindeutig wird es allerdings leider nie, aber man kann auf diese Art in die Analyse einsteigen. Was hat der Motor denn eigentlich gelaufen? Wenn die Ventilführungen bereits viel Spiel hatten, dann helfen hier neue Schaftdichtungen nicht. Weiterhin kann
ein undichter Öleinfülldeckel, undichter Peilstab, oder eine Undichtigkeit im Unterdrucksystem (Bremskraftverstärker, ...) dazu führen, dass das BlowBy massiv einsteigt. Da im Motor immer Unterdruck herrscht, darf nirgends eine Lücke sein, wo Umgebungsluft in größeren Mengen in den Motor eintreten kann. Eine offene Vakuumpumpe kann mal eben die Abluft auf über 200l/min hochjagen und dann gibt auch der beste Ölabscheider auf. Die Unterdruckleitung die mal auf Dein AGR-Ventil ging hast Du doch bestimmt verschlossen - oder?
Grüße Martin